Gruppenfoto der insgesamt 100 KonferenzteilnehmerInnen aus über 50 Organisationen, sowohl aus den Natur- und Ingenieurwissenschaften (Physik, Biologie, Chemie, Informatik) als auch den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften (Politikwissenschaft, Friedens- und Konfliktforschung, Psychologie, Philosophie)

Interdisziplinäre Erkenntnisse technischer Friedens- und Sicherheitsforschung: 100 WissenschaftlerInnen trafen sich zur Konferenz SCIENCE · PEACE · SECURITY ’19 an der TU Darmstadt

Motivation

Der Wissenschaftsrat als wichtigstes wissenschaftspolitisches Beratungsgremium in Deutschland hat im Juli 2019 seine Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Friedens- und Konfliktforschung veröffentlicht. Darin weist er auf einen dringenden Handlungsbedarf zur Stärkung der naturwissenschaftlich-technischen Friedens- und Konfliktforschung hin, die in Deutschland inzwischen strukturell zu prekär ist, um den massiven Beratungsbedarf der Politik zu decken: „Um die notwendige naturwissenschaftlich-technische Forschung und Expertise dauerhaft in Deutschland vorzuhalten, hält er allerdings den institutionellen Auf- und Ausbau dieses Teilgebiets der Friedens- und Konfliktforschung […] für unverzichtbar und empfiehlt Bund und Ländern, hier aktiv zu werden”. Darüber hinaus fordert das Gremium die in jüngerer Zeit neu etablierten Forschungseinrichtungen zur Cybersicherheit auf, auch vermehrt Fragen der Friedens- und Konfliktforschung aufzugreifen.

Als positives Beispiel der dauerhaften Etablierung dieser Disziplin an einer Universität wurde die Technische Universität Darmstadt genannt, Ausrichtungsort der Auftaktveranstaltung für die neue Konferenzreihe SCIENCE · PEACE · SECURITY: Vom 25.09. bis zum 27.09.2019 präsentierten WissenschafterInnen die aktuelle Forschung über die interdisziplinären Herausforderungen und Lösungsansätze zu Fragen der internationalen Sicherheit, der Schaffung von Frieden sowie transparenz- und vertrauensbildenden Maßnahmen, der Rüstungskontrolle, Abrüstung und des Konfliktmanagements.

Zielstellung

Auf dem Programm standen 50 Vorträge und Diskussionen von ForscherInnen aus über 50 Organisationen, sowohl aus den Natur- und Ingenieurwissenschaften (Physik, Biologie, Chemie, Informatik) als auch den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften (Politikwissenschaft, Friedens- und Konfliktforschung, Psychologie, Philosophie). Darin wurden Brücken geschlagen zwischen „klassischen“ Herausforderungen der nuklearen, biologischen und chemischen Gefahren sowie der Entstehung und dem Regelungsbedarf „neuer“ Technologien wie Drohnen, autonomen Waffen oder Cyber-Waffen in „klassischen“ und „neuen“ Räumen wie z.B. dem Cyber-Space oder dem Weltall.

Inhalte

Den Auftakt der Konferenz am 25.9. machten Prof. Alfred Nordmann (TU Darmstadt) und Dr. René von Schomberg (Europäische Kommission) mit einem Workshop zu 30+ Jahren IANUS, welches 1988 als zentrale Einrichtung zur naturwissenschaftlichen und technischen Friedensforschung im Austausch mit den Gesellschafts- und Geisteswissenschaften an der TU Darmstadt gegründet wurde. Im Jahr 2000 erhielt IANUS den Göttinger Friedenspreis für seine herausragende interdisziplinäre Arbeit. 2018, zeitgleich mit der Einrichtung von PEASEC, wandelte sich IANUS in ein Netzwerk innerhalb der TU Darmstadt um, das mit einer universitätseigenen Förderlinie für interdisziplinäre Projekte verknüpft ist. Ein Festvortrag zur Ambivalenz von Wissenschaft und Technik (Prof. Jürgen Scheffran, Universität Hamburg), die sowohl für gute als auch missbräuchliche Zwecke genutzt werden kann, leitete in den Abend ein.

Eröffnung der Konferenz durch Prof. Christian Reuter (TU Darmstadt) mit Prof. Malte Göttsche (RWTH Aachen), Dr. Jürgen Altmann (TU Dortmund) und Dr. Mirko Himmel (Universität Hamburg) (von links nach rechts)

Prof. Christian Reuter eröffnete zusammen mit den Sektionsleitern Dr. Jürgen Altmann, Prof. Malte Göttsche und Dr. Mirko Himmel die Konferenz im Georg-Christoph-Lichtenberg Haus und hob in seiner Ansprache den Pilotcharakter des Tagungsformats hervor. Es folgten Grußworte von Prof. Ralph Bruder (Vizepräsident der TU Darmstadt), Prof. Ulrich Schneckener (Vorsitzender der Deutschen Stiftung Friedensforschung) sowie Dr. Jürgen Altmann (Vorsitzender von FONAS). Anschließend standen am 26. und 27.9. Vorträge und Diskussionen auf dem Programm.

Diese analysierten zunächst den weltweiten Stand der Rüstungskontrolle (Dr. Oliver Meier, SWP), speziell im Bereich chemischer- (Dr. Paul Walker, Internationales Grünes Kreuz) und biologischer Waffen (Dr. Jonathan Forman, OPCW) sowie ihre aktuellen technologischen Entwicklungen (Dr. Mirko Himmel, Universität Hamburg). Herausforderungen für das Biowaffenübereinkommen durch biotechnologische Gefahren aus Sicht der Politikwissenschaften wurden deutlich herausgestellt (Dr. Una Jakob,  HSFK). Das Missbrauchspotential der Systembiologie (Prof. Kathryn Nixdorff, TU Darmstadt) und neuartiger Gentechnologien (Dr. Johannes Frieß, BOKU Wien) wurden ebenso behandelt wie Nuklear-Archäologie (Prof. Malte Göttsche, RWTH Aachen), die Politik zur Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen (Dr. Jonas Siegel, University of Maryland), die Modernisierung der luftgestützten Rüstungs-Verifikation (Prof. Hartwig Spitzer, Universität Hamburg) oder Herausforderungen nuklearer Proliferation (Dr. Matthias Englert, Öko Institut).

Neben nuklearen, biologischen und chemischen Gefahren befassten sich die ReferentInnen mit neuen Technologieentwicklungen und ihren Auswirkungen auf Frieden und Sicherheit. Hierzu gehören insbesondere wissenschaftliche Herausforderungen für die Informatikbezogene Friedensforschung (Prof. Christian Reuter, PEASEC) sowie Fragen zu High-Tech- (Dr. Niklas Schörnig, HSFK) und Cyber-Waffen (Thomas Reinhold, PEASEC), Cyber-Rüstungskontrolle (Dr. Matthias Schulze, SWP) und -Attribution (Thea Riebe, PEASEC). Weitere Vorträge widmeten sich kritischen Infrastrukturen (Dr. Moritz Weiss und Felix Biermann, LMU München), Drohnen-Schwärmen (Maaike Verbruggen, Vrije Universiteit Brussel), Additive Fertigung im Militär (Dr. Grant Christopher, VERTIC) und vertrauenswürdiger Elektronik (Dr. Moritz Kütt, IFSH Hamburg).

Keynote des amerikanischen Chemiewaffenexperten Dr. Paul F. Walker, Träger des alternativen Nobelpreises, Direktor beim Internationalen Grünen Kreuz und derzeit Senior Visiting Fellow beim IFSH in Hamburg

Vor dem Hintergrund der bisherigen Erkenntnisse der naturwissenschaftlich-technischen Friedensforschung suchten weitere Referenten Rückschlüsse auf zukünftige Entwicklungen zu ziehen, so Dr. Jürgen Altmann (TU Dortmund) mit Blick auf Militärtechnologien, Prof. Götz Neuneck (IFSH Hamburg) zu technologischen und politischen Rüstungswettläufen sowie Prof. Martin Kalinowski (CTBTO) zur Arbeit der Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen.

Wichtiger Teil des Tagungsprogramms waren ferner 16 Poster-Präsentationen, die mehrheitlich von NachwuchswissenschaftlerInnen zur Diskussion gestellt wurden. Sie deckten ein breites Spektrum von Information Warfare, Dual-Use, bewaffneten Drohnen bis hin zur Abrüstung und Rüstungskontrolle von Massenvernichtungswaffen ab.

Organisation

Federführend ausgerichtet wurde die dreitägige Konferenz von PEASEC (Wissenschaft und Technik für Frieden und Sicherheit) in Kooperation mit IANUS (Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit) und CROSSING (DFG-Sonderforschungsbereich) an der TU Darmstadt sowie FONAS (Forschungsverbund Naturwissenschaft, Abrüstung und internationale Sicherheit) und der Deutschen Stiftung Friedensforschung.

Hauptorganisator der Konferenz war Prof. Christian Reuter (TU Darmstadt) und sein Team, mit Unterstützung von den Themenverantwortlichen Dr. Jürgen Altmann (TU Dortmund), Prof. Malte Göttsche (RWTH Aachen) und Dr. Mirko Himmel (Universität Hamburg). Zum Abschluss würde verkündet, dass die in zwei Jahren geplante Folgekonferenz SCIENCE · PEACE · SECURITY ’21 an der RWTH Aachen stattfinden wird.

Weitere Informationen und Bilder unter www.sps.peasec.de